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DR. GÜNTER NIESSEN

 

Schulterworkshop, Kopfstandhocker und mehr

 

Der Kopfstandhocker – eine Übersicht

Es erreichen mich immer wieder spannende Fragen von den Yogalehrenden der verschiedenen Yogastile. Wer sollte, darf und kann den Kopfstandhocker nutzen und warum? Es scheint, dass trotz der Etablierung dieses Hilfsmittels in der Szene immer noch Unsicherheit zu bestehen, wenn es um den therapeutischen Kontext geht. Wer keine Probleme mit dem Kopfstand hat, kann auch unbedenklich den Kopfstandhocker nutzen, so viel ist klar. Aber ist er auch sicherer oder schonender und wenn, dann für wen und welchen Bereich des Körpers?

Für viele Übende, insbesondere mit zunehmendem Alter und wenn vorher nicht entsprechend geübt wurde, wird der Kopfstand auf der Matte zum Problem. Viel zu viele haben sich bei dem Versuch, ihn durchzuführen, akute oder dauerhafte Schäden zugefügt. Die diesbezüglichen Probleme sind hinreichend bekannt. Der Kopfstandhocker nimmt den Druck von der Schädelkalotte und Halswirbelsäule weg und verlagert ihn auf die Schulter-Nacken-Region, vor allem auf die Muskulatur mit darüber hinaus gehendem Druck auf die Schulterblätter. Folgende Probleme können aber auch hier dazu führen, dass die Übenden besser Abstand von der Nutzung eines solchen Hockers nehmen sollten:

  1. Gefäße: Durch die Umkehrhaltung des Kopfstandes kommt es mit der Schwerkraft zu einem hohen Rückfluss des Blutes aus dem Rumpf und unteren Extremitäten zum Herzen und zum Kopf. Die arterielle Durchblutung des Kopfes muss möglichst schnell gedrosselt werden, da es im begrenzten Raum des Schädels sonst zur Kompression des Gehirns kommen würde. Nicht vergessen sollten wir den Platzbedarf im Kopf durch den venösen Rückstrom der nicht über Klappen verfügenden Halsvenen. Auf dieser Ebene ist der Kopfstand also ebenso anspruchsvoll wie ohne Hocker. Wir müssen bei den Übenden ein reagibles Gefäßsystem annehmen dürfen – dass braucht mit zunehmendem Alter eine gute Ernährung und regelmäßiges Training. 

  2. Herz: Der Rückstrom des Blutes zum Herzen ist im Kopfstand von allen Umkehrhaltungen am größten und schnellsten. Auch diesbezüglich besteht kein wesentlicher Unterschied zum klassischenKopfstand. Wir müssen also bei den Übenden ein kräftiges Herz mit regelmäßigem Rhythmus voraussetzen. Da auf dem Kopfstandhocker weniger Kraft benötigt wird, bleiben einige Übende länger in der Umkehrung, was dem Herzen eine höhere Ausdauerleistungsfähigkeit abverlangt. Sind Herz und Gefäßsystem nicht gut trainiert, kann es leicht zu Gerinnselbildungen und Embolien oder zur Überforderung des Herzens führen (akute Herzinsuffizienz) führen.
  3. Adipositas: Fettgewebe ist durchblutet. Dadurch, dass viele Yogalehrer/innen den Fokus des Anspruchs beim Kopfstandhocker auf die Entlastung der Halswirbelsäule legen, glauben sie, dass auch Menschen mit Übergewicht im Hocker den Kopfstand üben können (weil ja die HWS entlastet wird). Letzteres stimmt, aber Fettgewebe ist durchblutet und Übergewicht geht häufig bei zunehmendem Alter mit einer Reduktion der Belastung des Herz-Kreislaufsystems einher. Bluthochdruck mit oder ohne Medikamente, Herzleistungsreduktion, Diabetes mit kardialer Neuropathie usw. sind die häufigen Folgen. Da bei übergewichtigen Übenden noch mehr Blut zum Herzen und in Richtung Schädel fließt als bei Normalgewichtigen und die Regulation dort fast immer reduziert ist durch die mal mehr mal weniger offensichtlichen Begleiterkrankungen, kann ich von der Nutzung des Kopfstandhockers dann nur abraten.
  4. Stabilität: Ohne die nötige Rumpfstabilität bleibt der Kopfstand auch im Hocker ein Spiel mit dem Risiko. Nicht so selten fallen Übende im und mit dem Hocker um mit teils schweren Folgen, verlieren auch ohne umzufallen das Gleichgewicht, was dann nur zu Zerrungen und weniger ernsthaften Verletzungen führt oder erleben Schwindel, Gleichgewichts- oder Wortfindungsstörungen unmittelbar beim Herauskommen aus dem Hocker. Auch dies ist potentiell ungünstig.
  5. Druck: Der Druck im Kopfstandhocker wird über die Schulter-Nackenmuskulatur übertragen und die Arme müssen bei Ungeübten die Haltung balancieren. Gelegentlich empfinden Übende diesen Druck als unangenehm. Zudem kann die Halswirbelsäule nicht wie fälschlich angenommen ganz entspannt werden, der Grundtonus der Muskulatur bleibt bestehen. Im Vergleich zum umgekehrten Baumeln von einer Stange (mit den Knierückseiten eingehängt) oder Umkehrtischen besteht eine deutlich höhere Spannung in der Hals-Nacken-Muskulatur, so dass der Effekt auf die Halsbandscheiben im Hocker – was die Traktion betrifft – anders viel effektiver geübt werden kann.

Zusammenfassend: Aufpassen, mit wem man übt. Da hängt oft ein Mensch an der Halswirbelsäule. Letztere zu entlasten ist ehrenhaft, den Rest dabei zu gefährden ist das aber wegen der ernst zu nehmenden Schädigungsmöglichkeiten nicht sinnvoll.

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